Emotionales Essen: Warum wir zu Schokolade greifen, wenn uns Gefühle überrollen – und was wirklich hilft
Emotionen und Essverhalten sind enger miteinander verknüpft, als vielen bewusst ist. Schon als Säuglinge erfahren wir beim Essen eine Mischung aus Nähe, Trost, Aufregung oder Entspannung. Kein Wunder also, dass Essen später so oft zur emotionalen Strategie wird.
Wie Emotionen unser Essverhalten steuern
Gefühle können unseren Appetit sowohl steigern als auch hemmen.
Beispiele kennst du wahrscheinlich aus deinem Alltag:
Langeweile → Plötzlich wirkt der Kühlschrank spannender als jede Aufgabe.
Eifersucht oder Kummer → Appetitlosigkeit.
Stress → Die einen essen kaum, die anderen greifen zu Süßem, Chips oder Schokolade.
Warum reagieren Menschen so unterschiedlich?
Das liegt daran, dass Emotionsmerkmale (z. B. Intensität) und Personenmerkmale (z. B. Stressniveau, Lernerfahrungen, Diäthistorie) darüber entscheiden, wie Emotionen das Essverhalten beeinflussen.
Manche essen bei Stress weniger, weil der Körper in den „Alarmmodus“ schaltet. Andere versuchen durch Essen, unangenehme Gefühle zu dämpfen oder sich zu belohnen.
Wie Essen unsere Gefühle beeinflusst
Der Einfluss funktioniert in beide Richtungen: Auch Essen kann Emotionen verändern. Kindheitsessen beruhigt, weil es positive Erinnerungen aktiviert (Stichwort: Comfort Food). Die Energiezufuhr verbessert Stimmung und Konzentration und Schokolade enthält nicht nur sensorisch angenehme Geschmacksnoten, sondern auch Stoffe wie Theobromin, die stimmungsaufhellend wirken. Essen ist evolutionsbiologisch als Emotionsregulator tief in uns verankert.
Was genau ist emotionales Essen?
Von emotionalem Essen sprechen wir, wenn Essen genutzt wird, um unangenehme Gefühle zu bewältigen, statt körperlichen Hunger zu stillen. Typische Auslöser sind:
Prüfungsstress
Zeitdruck
Einsamkeit
innere Anspannung
Frust oder Ärger
Viele Menschen haben emotionales Essen bereits in der Kindheit gelernt, etwa durch den berühmten „Trost-Bonbon“. Wird Essen immer wieder genutzt, um jedes Unbehagen zu betäuben, automatisiert sich dieses Muster. Das Problem dabei ist, dass die eigentliche Emotion nicht verarbeitet wird und das Essverhalten entwickelt sich in eine Richtung, die langfristig belastet.
Warum emotionales Essen so hartnäckig ist
Emotionales Essen ist oft automatisch und unbewusst. Viele spüren zwar, dass „irgendetwas nicht stimmt“, aber können nicht benennen, welches Gefühl sie eigentlich regulieren wollten.
Der erste Schritt zur Veränderung besteht deshalb darin, Gefühle überhaupt wieder wahrzunehmen. Wenn du generell daran Interesse hast, wie du besser mit dir verbunden sein kannst, lies auch meinen Artikel “Wie verbunden bist du?”
Die 7 bewährtesten Methoden gegen emotionales Essen
1) Achtsame 3-Schritte-Stopp-Methode
Perfekt für akute Situationen, in denen man zum Kühlschrank rennt, obwohl man keinen Hunger hat oder bereits vor kurzem gegessen hat:
Stop: Kurzer Moment der Unterbrechung.
Atmen: 3 tiefe Atemzüge zur Regulierung.
Check-in: „Was fühle ich gerade wirklich? Habe ich hunger? Was brauche ich stattdessen?“
Diese kurze Pause schwächt Impulse enorm.
2) Die „Surf-the-Urge“-Technik
Gelüste kommen in Wellen. Statt dagegen anzukämpfen, beobachtest du sie:
Wann steigt das Verlangen?
Wo spüre ich es?
Wie verändert es sich?
Schreib Dir Deine Beobachtungen auf. Nach 20–30 Minuten flacht die Welle von selbst ab.
3) Das Emotionstagebuch
Diese Methode ist ideal, um generell Muster zu erkennen:
Was hat das Essverlangen ausgelöst?
Welche Emotion war da?
Was habe ich gebraucht?
Wie fühlte ich mich nach dem Essen?
Dir werden Muster auffallen, die dir vorher nicht zugänglich waren, wenn Du aus einem Impuls heraus gehandelt hast. Bewusstsein ist der erste Schritt für Veränderung.
4) Bedürfnisse statt Essen befriedigen
Emotionales Essen will oft etwas anderes erfüllen:
Ruhe
Trost
Belohnung
Entlastung
Verbindung
Frage dich: „Was würde mir gerade wirklich guttun – jenseits des Essens?“ und “Wie kann ich mir mein Bedürfnis auf eine andere Art und Weise befriedigen?”
5) Sofortstrategien zur Emotionsregulation
Für akute Momente der Überforderung:
kaltes Wasser über Hände/Unterarme,
4–7–8-Atemtechnik: Du atmest 4 Sekunden ein, hälst den Atem für 7 Sekunden und atmest 8 Sekunden aus,
10 Kniebeugen oder ein kurzer Powerwalk,
Musik, die dein Nervensystem beruhigt,
Hand auf Herz: Self-Compassion-Touch.
Das Nervensystem schaltet herunter und der Essimpuls gleich mit.
6) Regelmäßige Mahlzeiten
Unregelmäßiges Essen verstärkt emotionales Essen.
Empfehlung:
3 Mahlzeiten,
keine langen Pausen über 5 Stunden,
Protein & komplexe Kohlenhydrate in jeder Mahlzeit.
Stabiler Blutzucker = stabilere Emotionen.
7) Achtsames Essen
Mindfulness-basierte Programme haben die stärkste Wirkung laut Forschung. Elemente wie:
langsam essen,
jeden Bissen schmecken,
ohne Ablenkung essen,
bewusste Portionierung,
Hunger- und Sättigungsskala nutzen.
Langfristig trainiert das dein Gehirn auf echte Körpersignale statt Emotionen.
Fazit
Emotionales Essen ist kein Zeichen von Schwäche, sondern ein erlerntes Bewältigungsmuster, das tief in unser Emotions- und Belohnungssystem eingebettet ist.
Die gute Nachricht ist, mit Achtsamkeit, Emotionsregulation, strukturierter Ernährung und Selbstmitgefühl lässt es sich nachhaltig transformieren.
Wenn du Erfahrungen oder Methoden teilen möchtest, die Dir geholfen haben oder Du Unterstützung suchst, kontaktiere mich gern.
Quellen
Macht, M. (2005). Essen und Emotion. Ernährungs-Umschau, 52(8), 304–308.
Greeno, C. G., & Wing, R. R. (1994). Stress-induced eating. Psychological Bulletin, 115(3), 444–464.